All jene, die die Welt des Profi-Radrennsports verfolgen, wissen, dass Trainingslager, besonders jene mit Höhenkomponente, ein wesentlicher Bestandteil des Trainings eines jeden ernst zu nehmenden Fahrers ist. In dem Umfang, dass es nicht unüblich ist, gleich ein Paar davon in einer Saison zu absolvieren. Es ist auch nicht weiter verwunderlich, dass, wie jeder andere Aspekt des Profiradfahrens – Profi-Rennräder, Komponenten und Kits, Ernährung, Leistungsmesser und Regenerierungshilfen – auch der Wunsch nach Trainingslager seinen Weg in den Amateursport gefunden hat.
So saß ich also, vier Wochen vor meinem Rennen in Frankreich (Haute Route Ventoux, das Thema meines nächsten Eintrags), am Flughafen Heathrow – eine ziemliche Neuigkeit, nachdem ich zwei Jahre das Land nicht verlassen hatte; Sie wissen schon. Ich wartetet aufgeregt auf meinen Flug nach Mailand, von wo ich in das Bergdorf Bormio in Norditalien fahren und ein fünftägiges Höhen-Trainingslager absolvieren würde.
Natürlich ist das ein ziemlicher Luxus für einen Amateur wie mich, aber in Anbetracht dessen, dass jeder andere Aspekt meiner Vorbereitung auf die Haute Route Ventoux auf professionellem Niveau liegt, dachte ich mir, wenn schon, denn schon. Natürlich wurde die Entscheidung erleichtert mit dem Wissen, dass meine Frau Zuhause die Stellung halten würde und sich eine Woche allein um die Kleinen kümmern würde, ein gerne vergessener Bestandteil eines solchen Prozesses und eine Erinnerung daran, dass ich zwar auf dem Rad sitze, meine Familie jedoch als Team hinter mir steht, wodurch ich überhaupt erst dieses eher egozentrische Unternehmen anpacken konnte.
Trotz dieser Methode und der unerschütterlichen Unterstützung meiner Familie habe ich nicht meine ganze Zeit in diesen professionellen Ansatz stecken können, denn auch andere Bereiche in meinem Leben erfordern Aufmerksamkeit und Konzentration. Daher auch der Reiz eines Trainingslagers, bei dem jeder Alltagsstress in den Hintergrund tritt und ich mich einfach auf das Radfahren konzentrieren kann und auf die Vorteile, die ein solch gezieltes Training bietet.
ÜBER DAS ZIEL HINAUS
„Ich denke, das erste, woran man denken sollte, ist, dass das Ziel eines Trainingslagers eine Überforderung ist“, erklärt die Profi-Mountainbikerin Hannah Finchamp. „Wenn wir trainieren, sollten wir es immer so machen, dass wir uns zwischen den Einheiten erholen können. So schaffen wir eine nachhaltige Trainingsintensität und vermeiden, uns zu übernehmen.
„Bei Überforderung hingegen geht es darum, zeitweise die Intensität über unsere Erholungsmöglichkeiten hinaus zu steigern. So wird eine intensive Trainingsstimulierung geschaffen und die Fitness in einem kurzen Zeitraum erhöht. Das ist wichtig, wenn man für ein großes Rennen trainiert, da wir so unsere Fitness maximieren. Es ist auch wichtig, dass wir uns ausreichend von dieser großen Trainingsanstrengung erholen, bevor wir uns in Rennen begeben.“
Also warum Bormio? Aus zwei Gründen: Der erste ist die Höhe. Bormio liegt auf 1225 m, wodurch ich auf großer Höhe trainieren kann und im Tal schlafen, was allgemein als der beste Ansatz für ein Höhen-Trainingslager angesehen wird. Der zweite Grund ist die Nähe zu einigen der bekanntesten Anstiege im Radsport. Sowohl der Passo dello Stelvio als auch der Passo Gavia beginnen in Bormio selbst und kommen jeweils auf Höhen von 2757 m und 2621 m; der Passo Mortirolo und die weniger bekannten Laghi di Cancano beginnen in unmittelbarer Nähe dieses vorzüglich gelegenen Alpendorfs.
STELVIO UND GAVIA RAGEN VOR MIR AUF
Ich würde im Laufe der Woche alle vier Anstiege absolvieren, allerdings lag meine Aufmerksamkeit mehrheitlich auf Stelvio und Gavia, da sie am ehesten den Anstiegen in Frankreich ähneln, mit langem und konstantem Gefälle. Mortirolo ist ebenso ikonisch wie brutal steil, also nicht ideal für die Art von kontrollierter Leistung, die ich geben will, dennoch eine gute Herausforderung und eine Portion Selbstvertrauen, die die Bezwingung eines solch schwierigen Anstiegs gibt.
Die Krux des Trainingslagers waren jedoch die drei großen Tage, in denen ich zweimal auf den Gavia anstieg und viermal auf den Stelvio, womit ich sicherstellte, dass ich zum Zeitpunkt der Rückreise meinen Körper so überfordert hatte, dass die richtige Erholung zu den gewünschten Fortschritten führen würde. Nicht nur das, diese Anstiege würden mir auch einen notwendigen psychischen Schubs geben.
Im Laufe des Trainingsprogramms hatte ich, trotz all der Intervalle unterschiedlicher Länge und Intensität, schon öfter die Bedenken, wie sich diese Bemühungen auf die Leistung im wahren Leben auswirken würden, also auf den Anstieg bei einem Hors Catégorie; diese Art von Gefälle haben wir in England einfach nicht.
NOCH NIE SO GUT GEFÜHLT
Woche neun
Montag |
105 Min. Fahren, einschließlich 3-mal 20 Min. SST (Training im Sweetspot, 88-94 % FTP) TSS 140,00 |
Dienstag | Ruhetag |
Mittwoch |
90 Min. in Zone 2/3, einschließlich 3-mal 8 Min. in Zone 2 TSS 95,0 |
Donnerstag |
105 Minuten Fahren, einschließlich 3-mal 20 SST (Training im Sweetspot, 88-94 % FTP) TSS 140,00 |
Freitag |
90 Min. in Zone 2/3, einschließlich 3-mal 5 Min. in Zone 2 TSS 80,0
|
Samstag |
105 Min. Fahren, einschließlich 3-mal 20 Min. SST (Training im Sweetspot, 88-94 % FTP) TSS 140,00 |
Sonntag | Ruhetag |
Week zehn
Montag | Ruhetag |
Dienstag |
50 Min., einschließlich 5 Min. in Zone 3 und 3-mal 5 Min. SST (Sweetspot-Training, 88-94 % FTP, TSS 75 |
Mittwoch |
50 Min., einschließlich 5 Min. in Zone 3 und 3-mal 5 Min. SST (Sweetspot-Training, 88-94 % FTP, TSS 75 |
Donnerstag |
60 Minuten in Zone 3 – TSS 90 |
Freitag |
Ruhetag |
Samstag |
60 Min. Fahren, einschließlich 10 Sets von [10 Sekunden an/10 Sekunden aus, 6-mal] TSS 40,0 |
Sontag |
3 Stunden in Zone 2 – TSS 150 |
Für Woche 1-2, siehe Teil eins.
Für Woche 3-4, siehe Teil zwei.
Für Woche 5-6, siehe Teil drei.
Für Woche 7-8, siehe Teil vier.
Bis man etwas wie den Stelvio vor sich hat, der nur 22 km, aber dafür 1500 m vertikale Höhenmeter von Bormio entfernt liegt, kann man nicht wissen, ob man für so eine Herausforderung bereit ist. Natürlich hat man trainiert und sein Vertrauen in den Prozess gesetzt, aber bis man es in der Praxis anwendet, verbleibt ein Element des Zweifels. Diese Zweifel verschwanden ein für alle Mal am Ende der Woche, als der Anstieg auf den Gavia mir das beste Gefühl gab, dass ich jemals bei einem Anstieg hatte. Ich stellte auf dem Weg zum Gipfel weiß Gott keinen Rekord auf, dennoch fühlte ich mich stark und unter Kontrolle, kannte meinen Körper und war für meine Verhältnisse schnell unterwegs. Es war ebenfalls beruhigend, zu wissen, dass ich bei Bedarf auch noch einen Gang höher schalten konnte.
Diese Reise ermöglichte mir, meine neue, perfektionierte Ernährungsstrategie mit der Glukosevisibilität in Echtzeit von Supersapiens zu testen, indem ich entsprechend meinen Blutzuckerwerten aß, statt wenn mir danach war, was früher mein Ansatz gewesen war. Das gab meiner Leistung auf den langen Anstiegen eine neue Dimension, da ich wusste, dass ich ausreichend mit Energie versorgt war und gleichzeitig die Speicher auffüllen konnte, um ungewollte Momente der Schwäche im Laufe des Anstiegs zu vermeiden.
Was sich jetzt zeigen wird, ist, ob ich diese Form und diese Ernährung unter dem Druck des Rennens fortführen kann, denn eins ist klar: Ich fahre nach Frankreich, um alles zu geben und ohne Kompromisse so weit oben wie möglich im Ranking zu enden. Schließlich habe ich so viel trainiert und gegeben, um ein ganz neues Level meiner sportlichen Fähigkeiten zu entdecken und zu sehen, wie gut ich im Ernstfall wirklich sein kann. Jetzt bleibt nur noch abwarten.